Wissenswert – VTF stellt sich vor
Viele Rollen, ein klarer Kompass
Dörte Kuhn über Engagement, Vielfalt und die Zukunft des Sports in Hamburg
Dörte Kuhn ist eine der prägendsten Persönlichkeiten im Hamburger Sport. Als hauptamtliche Vorsitzende des Verbandes für Turnen und Freizeit (VTF), ehrenamtliche Vizepräsidentin des Hamburger Sportbunds (HSB) und Mitglied in zahlreichen Gremien – u. a. beim Runden Tisch der Alexander Otto Sportstiftung, dem Nutzerbeirat Sport unter Senator Andreas Dressel oder dem Beirat Diversity des Deutschen Turner-Bundes (DTB) – steht sie für eine konsequente, zukunftsorientierte und inklusive Sportentwicklung. Wir haben mit ihr über ihre sportliche Herkunft, Herausforderungen im organisierten Sport und ihre Visionen gesprochen.
In den Sport hineingeboren
„Sport hat mich mein ganzes Leben begleitet“, sagt Dörte Kuhn. Aufgewachsen in einem sportaffinen Elternhaus – ihre Mutter engagierte sich im Verein, ihr Vater betrieb in ihrer Kindheit die größte Skischule Norddeutschlands – war Sport für sie von klein auf selbstverständlich. Vom Mutter-Kind-Turnen über Ballett bis Tennis: Ihre Kindheit war durchzogen von Bewegung und Vereinsleben. Kein Wunder also, dass sie ihren Weg im organisierten Sport früh fand. Als Jugendwartin im Altonaer Turnverein, später als Referentin im VTF-Lehrausschuss und schließlich als Vorsitzende des VTF.
Es ist wichtig, dass alle Beteiligten miteinander und nicht übereinander reden – und das wertschätzend.
Viele Rollen, ein klarer Kompass
Trotz ihrer zahlreichen Funktionen behält Kuhn stets den Überblick. Wie ihr das gelingt? „Ich mache mir immer bewusst, für wen ich gerade spreche“, erklärt sie. Natürlich gäbe es Interessenskonflikte, aber genau deshalb sei es wichtig, die eigene Rolle klar zu reflektieren. So könne sie auch zwischen den Perspektiven von VTF, HSB oder DTB unterscheiden und Brücken bauen.
Leise Töne, starke Wirkung
Kuhn sieht sich nicht als laute Stimme im Rampenlicht. Sichtbarkeit sei für sie nicht das Ziel, aber für die VTF-Mitgliedsvereine könne sie hilfreich sein. Ihr Erfolgsrezept: „Nicht zu schnell zu laut werden.“ Stattdessen setzt sie auf klare Forderungen, verlässliche Strukturen und einen inhaltlich starken Austausch.
Räume, Ehrenamt und Finanzierung: die großen Baustellen
Die größten Herausforderungen für den organisierten Sport in Hamburg? Dörte Kuhn muss nicht lange überlegen: fehlende Räume, insbesondere am Nachmittag sowie ein Mangel an Übungsleitungen. Neubauten alleine lösen das Problem nicht. Es brauche insgesamt kreative Lösungen, mehr Kooperationen und eine bewegungsfreundliche Stadt. Hervorzuheben ist dabei die Initiative des VTF gemeinsam mit dem HSB und der HSJ, bei der Basisqualifizierungen für neue Übungsleiter*innen finanziell unterstützt werden. Rund 170 Personen wurden so bereits niedrigschwellig qualifiziert. Doch das Ehrenamt braucht auch mehr Anerkennung.
Inklusion und Vielfalt als Haltung
Wie kann Sport inklusiver, diverser und zukunftsfähiger werden? Für Kuhn ist klar: Es braucht eine bewusste Entscheidung. „Wir müssen zeigen, dass Menschen willkommen sind und handeln. Gendern, gezielt Frauen ansprechen, Vielfalt im Team abbilden.“ Ihre Erfahrung zeigt: Wer eine Tür schließt, verliert langfristig ganze Gruppen. Offenheit und Weiterbildung seien zentrale Bausteine, etwa durch Fortbildungen oder einfach den Austausch mit anderen. „Man darf auch mal um Rat fragen.“ Dörte Kuhn setzt sich seit Jahren für mehr Geschlechtergerechtigkeit ein, etwa als Mitgründerin der Hamburger Sportsfrauen oder in den HSB-Kommissionen Frauen im Sport“ sowie „LSBTIQA* im Sport“.
Dörte Kuhn bei der Veranstaltung der Bundesspitzenverbände zur Vorstellung der Olympia Bewerbung in der Handelskammer Hamburg. Personen von links nach rechts: Dr. Nils Schumacher (Uni Hamburg), Daniel Knoblich (Vorsitzender HSB), Dörte Kuhn, Boris Schmidt (Vorsitzender TSG Bergedorf und des Freiburger Kreises), Anke Harnack.
Hamburg: Innovativ, aber mit Luft nach oben
Im bundesweiten Vergleich sieht die VTF-Vorsitzende Hamburg weit vorn: größte Vereinsdichte, zahlreiche vereinseigene Fitnessstudios, eine hohe Innovationskraft. Projekte wie „das Rezept für Bewegung“, ursprünglich aus Hamburg stammend, zeigen die Vorreiterrolle. Doch es gibt Nachholbedarf, vor allem bei der Umsetzung: „Wir müssen alle Akteure an einen Tisch bekommen und Sport als Dauerthema in allen Behörden verankern.“
Krisen gemeinsam meistern
Ein besonders herausforderndes Kapitel war der Austritt des Großvereins Sportspaß aus dem organisierten Sport (durch den der VTF auf einen Schlag 70.000 Mitglieder verlor) und dazu noch die Corona-Pandemie. Und dennoch blieb der VTF finanziell stabil. „Das war eine Teamleistung“, betont Kuhn. Auch die Tochterfirmen des Verbandes wurden gut durch die Krise geführt.
Olympia, Turnfest und Vielfalt in Gremien – die Vision
Für die nächsten zehn Jahre hat Dörte Kuhn eine klare Vision: das Internationale Deutsche Turnfest in Hamburg, vielleicht sogar Olympia 2040 in der Hansestadt. Hamburg als Active City – erlebbar für alle. Dazu gehören Räume für Sport, mehr qualifizierte Übungsleitungen, eine verlässliche Finanzierung des Ehrenamts und eine vielfältige Besetzung aller Entscheidungsgremien. „Das Internationale Deutsche Turnfest zeigt wunderbar, was Active City bedeuten kann und zwar von jung bis alt, vom Wettkampf bis zur Mitmachaktion.“
Wenn mal einen Monat alles stillsteht …
Was würde Dörte Kuhn tun, wenn sie einen Monat lang keine Gremiensitzungen, keine Telefonate und keine Termine hätte? Ihre Antwort kommt prompt: „Ich würde alleine mit meinem Hund durch Deutschland oder Skandinavien wandern. Und das Handy nur nutzen, wenn ich wirklich Lust dazu habe.“ Ein schöner Gedanke, aber bis dahin hat sie noch viel vor. Für Hamburg. Und für den Vereinssport.